Wealthcap Future Lab
#NEXT CITY SOCIETIES: „Wir brauchen einen radikalen Wandel“
Welchen Impact hat das Action Field #NEXT CITY SOCIETIES auf die Stadt und Immobilie von morgen? Dazu hat das Future Lab mit Alexander Rieck vom Fraunhofer IAO gesprochen.

Inhalt der Studie
Alexander Rieck kommt vom Fraunhofer IAO und ist zudem Gründer seines Architekturbüros LAVA (Laboratory for Visionary Architecture). Im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, hat Rieck über sein Herzensthema gesprochen: die städtischen Gesellschaften der Zukunft. Das Gespräch ist Bestandteil der Expertenplattform „Future Lab“. Diese wurde von Wealthcap initiiert, um die drängenden Fragen von heute in den Kontext von morgen zu stellen.

Shark Session mit Alexander Rieck vom Fraunhofer IAO
Alexander Rieck kommt vom Fraunhofer IAO und ist zudem Gründer seines Architekturbüros LAVA (Laboratory for Visionary Architecture). Im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, und Saskia Feil von Wealthcap hat Rieck über sein Herzensthema gesprochen: die städtischen Gesellschaften der Zukunft.
Jede Stadt hat mit ihren komplexen Anforderungen Mühe verdient
„Städte und Gemeinden ändern Gesicht und Struktur vor allem durch die Vielzahl an Immobilienprojekten, die im Dialog von privaten und kommunalen Partnern entstehen“, sagt Alexander Rieck. Das Problem dabei sei, dass private Immobilienentwickler oftmals nicht langfristig denken: „Man will das Projekt meist rasch an Endinvestoren veräußern“, so Rieck. „Man gibt sich nicht die Mühe, die jede Stadt mit ihren komplexen Anforderungen verdient.“ Entsprechend seien unsere Städte und Gemeinden dann zuletzt auch geprägt worden: „Bestenfalls durch Mittelmaß und austauschbare Architektur, im schlechtesten Fall durch Bausünden und funktionale Sackgassen.“ Der Weg habe aus ökonomischer Sicht mindestens 15 Jahre lang gut funktioniert: „In der Niedrigzinsphase war fast jeder Entwickler mehr oder weniger automatisch erfolgreich mit seinem Immobilienprojekt.“
Stürmischer Veränderungsdruck
Dies ändere sich nun mit der Zinswende, eingebettet in die weltweit gestörten Handelsbeziehungen und Lieferketten, in die Energiekrise, in die Auswirkungen des Ukrainekriegs, welche für die langfristige städtebauliche Entwicklung weniger wichtig sind als für die aktuelle wirtschaftliche Lage. Vor allem aber seien die weiterhin ungelöste Klimakrise sowie die Digitalisierung der Gesellschaft zu nennen, Rieck spricht von „Environmental Brutalism“ und „Digital Renaissance“. „Eine veränderte Gesellschaft hat immer auch einen anderen Bedarf an städtischem Prozess.“
In der deutschen Immobilienwirtschaft gebe es eklatante Rückständigkeit in der Digitalisierung. „Das Building Information Modeling ist hier ein Beispiel. Als digitaler Zwilling eines Gebäudes bietet das Modell zwar die Chance auf mehr Transparenz, Kommunikation und Effizienz zwischen allen Akteuren. Aber wir haben hier ausdrücklich eine Technologie, die untrennbar mit den dahinterliegenden analogen Prozessen verknüpft ist. Wer jedoch nur die digitale Technik nutzt und an den Prozessketten nichts ändert, der betreibt eine Alibi-Digitalisierung ohne Aussicht auf Effizienzgewinne. Dann bleibt das System ein Mythos.” Man müsse klar unterscheiden zwischen der Digitalisierung der Branche, der Nutzung digitaler Werkzeuge und einer digitalisierten Gesellschaft. Letztlich seien die gesellschaftlichen Prozesse um ein Vielfaches elementarer.
Die alten und neuen Herausforderungen haben aber auch eine positive Seite: Unsere Gesellschaft erlebe nun den „Perfekten Sturm“, den wir — bei aller menschlicher Tragödie durch die weltweite Pandemie und die Folgen eines nicht für möglich gehaltenen Krieges — leider auch gebraucht haben: „Nur so wird eine radikale Veränderung möglich sein, und wir werden in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren eine Welt haben, in der nichts mehr so ist wie früher. Einen Wandel auf sämtlichen Ebenen: Umbau zu einer stärker ökologischen, weniger globalisierten Wirtschaft, technologische Transformation und veränderte Lebensstile der „Next City Societies“. Veränderungen, die sonst eher eine bis zwei Generationen lang gebraucht hätten. Wenn überhaupt.“
Fakt ist: Die neuen städtischen Gesellschaften werden von denen, die sie heute mitentwickeln, durch die neue hohe Veränderungsgeschwindigkeit noch erlebt. Ein weiterer Punkt, der gegen ein „Weiter so“ spricht: „Man wird dastehen und regelrecht zusehen können, wie sich alles um das Projekt herum verändert. Ist das Projekt gut genug, die Veränderung mitzugehen?“
Es braucht eine Mentalität, die Pioniertaten fördert
Eine Handlungsempfehlungen für Immobilien, die in der nächsten Stadtgesellschaft eine Chance haben möchten: „Wir können viel von den aktuellen Beispielen lernen, wo die wirklich herausragenden Quartiere entstehen“, so Rieck. Nach seiner Beobachtung sind die entsprechenden Akteure von einem persönlichen Interesse und einer engen Verbindung zum Projekt getrieben. „Wie lässt sich der Wunsch auf schnellen Exit durch den Wunsch ersetzen, sich auf ein Projekt persönlich einzulassen und auf langfristige Qualitäten zu setzen? Meiner Meinung nach müssen wir dafür weg vom typisch deutschen Denken, das dazu neigt, Dinge nicht zu hinterfragen, die vermeintlich immer schon funktioniert haben. Wir brauchen mehr Mut und eine Entwicklermentalität außerhalb der Komfortzone, die Pioniertaten fördert. Die veränderbaren Prozesse im Städtebau zulässt. Denn niemand weiß doch verlässlich, wie die Gesellschaft in 30 Jahren aussieht.“ Mehr Trial-and-Error müsse hierzulande also wieder möglich sein. Wieder? „Im 19. Jahrhundert war man in Deutschland gründungswillig und offen, auch mal etwas auszuprobieren.“ Im Übrigen gelte bei alldem, dass auch der eingangs genannte Dialog mit den kommunalen Partnern weiterentwickelt wird: „Früher hat man Immobilien ständig verändert. Der Umbau nach Zeitgeschmack und sich verändernden Anforderungen war völlig normal. Man wusste, dass man nie fertig ist. Heute baut man sie fertig. Die Genehmigungsprozesse für die Änderungen wären viel zu lang.“
Alexander Rieck kommt vom Fraunhofer IAO und ist zudem Gründer seines Architekturbüros LAVA (Laboratory for Visionary Architecture). Im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, hat Rieck über sein Herzensthema gesprochen: die städtischen Gesellschaften der Zukunft. Das Gespräch ist Bestandteil der Expertenplattform „Future Lab“. Diese wurde von Wealthcap initiiert, um die drängenden Fragen von heute in den Kontext von morgen zu stellen.

Shark Session mit Alexander Rieck vom Fraunhofer IAO
Alexander Rieck kommt vom Fraunhofer IAO und ist zudem Gründer seines Architekturbüros LAVA (Laboratory for Visionary Architecture). Im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, und Saskia Feil von Wealthcap hat Rieck über sein Herzensthema gesprochen: die städtischen Gesellschaften der Zukunft.
Jede Stadt hat mit ihren komplexen Anforderungen Mühe verdient
„Städte und Gemeinden ändern Gesicht und Struktur vor allem durch die Vielzahl an Immobilienprojekten, die im Dialog von privaten und kommunalen Partnern entstehen“, sagt Alexander Rieck. Das Problem dabei sei, dass private Immobilienentwickler oftmals nicht langfristig denken: „Man will das Projekt meist rasch an Endinvestoren veräußern“, so Rieck. „Man gibt sich nicht die Mühe, die jede Stadt mit ihren komplexen Anforderungen verdient.“ Entsprechend seien unsere Städte und Gemeinden dann zuletzt auch geprägt worden: „Bestenfalls durch Mittelmaß und austauschbare Architektur, im schlechtesten Fall durch Bausünden und funktionale Sackgassen.“ Der Weg habe aus ökonomischer Sicht mindestens 15 Jahre lang gut funktioniert: „In der Niedrigzinsphase war fast jeder Entwickler mehr oder weniger automatisch erfolgreich mit seinem Immobilienprojekt.“
Stürmischer Veränderungsdruck
Dies ändere sich nun mit der Zinswende, eingebettet in die weltweit gestörten Handelsbeziehungen und Lieferketten, in die Energiekrise, in die Auswirkungen des Ukrainekriegs, welche für die langfristige städtebauliche Entwicklung weniger wichtig sind als für die aktuelle wirtschaftliche Lage. Vor allem aber seien die weiterhin ungelöste Klimakrise sowie die Digitalisierung der Gesellschaft zu nennen, Rieck spricht von „Environmental Brutalism“ und „Digital Renaissance“. „Eine veränderte Gesellschaft hat immer auch einen anderen Bedarf an städtischem Prozess.“
In der deutschen Immobilienwirtschaft gebe es eklatante Rückständigkeit in der Digitalisierung. „Das Building Information Modeling ist hier ein Beispiel. Als digitaler Zwilling eines Gebäudes bietet das Modell zwar die Chance auf mehr Transparenz, Kommunikation und Effizienz zwischen allen Akteuren. Aber wir haben hier ausdrücklich eine Technologie, die untrennbar mit den dahinterliegenden analogen Prozessen verknüpft ist. Wer jedoch nur die digitale Technik nutzt und an den Prozessketten nichts ändert, der betreibt eine Alibi-Digitalisierung ohne Aussicht auf Effizienzgewinne. Dann bleibt das System ein Mythos.” Man müsse klar unterscheiden zwischen der Digitalisierung der Branche, der Nutzung digitaler Werkzeuge und einer digitalisierten Gesellschaft. Letztlich seien die gesellschaftlichen Prozesse um ein Vielfaches elementarer.
Die alten und neuen Herausforderungen haben aber auch eine positive Seite: Unsere Gesellschaft erlebe nun den „Perfekten Sturm“, den wir — bei aller menschlicher Tragödie durch die weltweite Pandemie und die Folgen eines nicht für möglich gehaltenen Krieges — leider auch gebraucht haben: „Nur so wird eine radikale Veränderung möglich sein, und wir werden in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren eine Welt haben, in der nichts mehr so ist wie früher. Einen Wandel auf sämtlichen Ebenen: Umbau zu einer stärker ökologischen, weniger globalisierten Wirtschaft, technologische Transformation und veränderte Lebensstile der „Next City Societies“. Veränderungen, die sonst eher eine bis zwei Generationen lang gebraucht hätten. Wenn überhaupt.“
Fakt ist: Die neuen städtischen Gesellschaften werden von denen, die sie heute mitentwickeln, durch die neue hohe Veränderungsgeschwindigkeit noch erlebt. Ein weiterer Punkt, der gegen ein „Weiter so“ spricht: „Man wird dastehen und regelrecht zusehen können, wie sich alles um das Projekt herum verändert. Ist das Projekt gut genug, die Veränderung mitzugehen?“
Es braucht eine Mentalität, die Pioniertaten fördert
Eine Handlungsempfehlungen für Immobilien, die in der nächsten Stadtgesellschaft eine Chance haben möchten: „Wir können viel von den aktuellen Beispielen lernen, wo die wirklich herausragenden Quartiere entstehen“, so Rieck. Nach seiner Beobachtung sind die entsprechenden Akteure von einem persönlichen Interesse und einer engen Verbindung zum Projekt getrieben. „Wie lässt sich der Wunsch auf schnellen Exit durch den Wunsch ersetzen, sich auf ein Projekt persönlich einzulassen und auf langfristige Qualitäten zu setzen? Meiner Meinung nach müssen wir dafür weg vom typisch deutschen Denken, das dazu neigt, Dinge nicht zu hinterfragen, die vermeintlich immer schon funktioniert haben. Wir brauchen mehr Mut und eine Entwicklermentalität außerhalb der Komfortzone, die Pioniertaten fördert. Die veränderbaren Prozesse im Städtebau zulässt. Denn niemand weiß doch verlässlich, wie die Gesellschaft in 30 Jahren aussieht.“ Mehr Trial-and-Error müsse hierzulande also wieder möglich sein. Wieder? „Im 19. Jahrhundert war man in Deutschland gründungswillig und offen, auch mal etwas auszuprobieren.“ Im Übrigen gelte bei alldem, dass auch der eingangs genannte Dialog mit den kommunalen Partnern weiterentwickelt wird: „Früher hat man Immobilien ständig verändert. Der Umbau nach Zeitgeschmack und sich verändernden Anforderungen war völlig normal. Man wusste, dass man nie fertig ist. Heute baut man sie fertig. Die Genehmigungsprozesse für die Änderungen wären viel zu lang.“
Definition Action-Field: Next city societies
Über die unterschiedlichen Generationen und die gesellschaftlichen Milieus hinweg entwickelt sich ein neues Selbstverständnis der Stadtbewohner:innen. Sie haben ein klares Bild von der städtischen Gemeinschaft und der damit verbundenen gegenseitigen Erwartungshaltung. Stadtbewohner:innen von morgen übernehmen Verantwortung für sich und ihre Nachbarschaft. Es entsteht eine neue Art der Teilhabe und Kollaboration.
In der Gesellschaft entsteht ein neues Gefühl der Verantwortung und damit verbunden der Initiative. Stadtbewohner:innen organisieren sich in Vereinen, Initiativen und losen Nachbarschaften. Sie übernehmen vielfältige Aufgaben, die das Leben in ihren Quartieren lebenswerter machen. Im Schulterschluss mit Politik und Verwaltung werden so Gemeinschaften gestärkt und eine Kultur des Zusammenlebens gefördert.
Was in der Vergangenheit die Bürgeranhörung war, ist in der Zukunft die Ideenmeisterschaft. Die Idee des Placemakings, der Wunsch nach Partizipation und der damit verbundenen Kollaboration machen die Bürger:innen zu gleichberechtigten Inputgebern der Immobilienwirtschaft. Die große Chance besteht darin, Immobilien und Quartiere so in eine neue Qualität zu führen – mit einer hohen Akzeptanz bei den Bürger:innen und in der Nachbarschaft und dem damit verbundenen Nutzen und Mehrwert.