Stiftungen im Umbruch
Stiftungen stehen am Scheideweg
Kristina Mentzel von Wealthcap und Dr. Aris Aristidou von der HypoVereinsbank erklären, welche Herausforderungen es gibt und wie sie gemeistert werden können.

Je länger das Niedrigzinsumfeld anhält, desto größer wird für viele Stiftungen die Notwendigkeit, ihre Kapitalallokation anzupassen. Nun kommt auch noch die Corona-Pandemie hinzu. Doch die geplante Reform des deutschen Stiftungsrechts wird für mehr Flexibilität sorgen. All dies wird Spuren in der Stiftungslandschaft hinterlassen. Wie sich Stiftungen darauf gut vorbereiten können, erfahren Sie von unseren Stiftungsexperten Kristina Mentzel, Head of Sales and Customer Management bei Wealthcap, und Dr. Aris Aristidou, Head of Wealth Management Professional Clients bei der HypoVereinsbank.
„Das Zinsniveau wird auf absehbare Zeit sehr niedrig bleiben“, erwartet Dr. Aris Aristidou, bei der UniCredit-Tochter HypoVereinsbank für das Wealth Management professioneller Kunden verantwortlich. Inflationsbereinigt könnte der Zins- und Renditedruck sogar noch wachsen. Stiftungen, die sich auf der einen Seite zu langfristigem Kapitalerhalt verpflichtet haben und auf der anderen Seite mit den ordentlichen Cashflow-Erträgen ihrer Kapitalanlagen einen bestimmten Stiftungszweck finanzieren müssen, bleibt deshalb gar nichts anderes übrig, als ihre Portfolioallokation zu überdenken.
„Einige Stiftungen haben lange gewartet, in der Hoffnung, dass sich das Zinsniveau wieder ändern würde“, beobachtet Kristina Mentzel, Vertriebschefin bei Wealthcap. Doch das ist nicht eingetreten und nun steigt der Anlagedruck. „Ohne eine veränderte Risikobereitschaft und vor allem eine stärkere Diversifikation werden sich kaum mehr auskömmliche Erträge generieren lassen“, sagt Mentzel. Das kann Dr. Aristidou nur bestätigen: „Viele Stiftungen haben längst begonnen, ihren Anlagehorizont um Aktien, Immobilien, Infrastruktur, erneuerbare Energien, Private Equity und vieles mehr zu erweitern. Andere sind jedoch noch immer sehr zögerlich.“
Kristina Mentzel weist angesichts der Corona-Pandemie noch auf einen weiteren Engpass hin: Manche Stiftungen sind neben den Kapitalerträgen auch auf regelmäßige Spendenzuflüsse oder Zustiftungen angewiesen. Doch auch dieses Fund-Raising sei im vergangenen Jahr in vielen Fällen nahezu zum Erliegen gekommen. Letztlich stehen Stiftungen, die mit ihrer gewohnten Strategie keine ausreichenden Erträge mehr generieren, vor der Wahl zwischen drei Optionen: Zuführungen zum Stiftungszweck verringern, Kapitalstock angreifen (sofern möglich) oder Anlagestrategie anpassen. „Für eine rentablere Kapitalallokation gibt es mehr Möglichkeiten, als manchen Stiftern zunächst klar ist“, sagt Mentzel.
Diversifikation und Professionalität – auch für kleinere Stiftungen
Ein breitere Diversifizierung und ein größeres Anlagespektrum in Bezug auf Assetklassen und Regionen stellen vor allem kleinere Stiftungen vor Herausforderungen. Die deutsche Stiftungslandschaft ist sehr heterogen: Auf der einen Seite stehen die großen Stiftungen mit einem Stiftungskapital in zum Teil zehnstelliger Höhe und einem sehr professionellen Investment-Management. Ein großer Teil der mehr als 23.000 Stiftungen in Deutschland entfällt jedoch auf kleinere Gründungen mit fünfstelligem Stiftungskapital und zum Teil ehrenamtlichem Management. Eine breite Diversifizierung und ein professionelles Risikomanagement sind für solche Stiftungen aus eigener Kraft mangels Kapazität, Größe, Marktzugang und Expertise kaum darstellbar, gibt Dr. Aristidou zu bedenken – insbesondere, wenn es sich um illiquide Sachwerte wie Immobilien, Private Equity oder erneuerbare Energien handelt.
Für diese Stiftungen stellen diversifizierte strukturierte Investmentprodukte wie beispielsweise Fonds deshalb eine geeignete Alternative zu Direktinvestments in Eigenregie dar. Gemeinsam mit anderen Stiftungen oder institutionellen Investoren und mit dem Management eines professionellen Asset- und Investment-Managers lasse sich auch ein verhältnismäßig kleines Portfolio effizient diversifizieren und verwalten, sagt Kristina Mentzel. Die Corona-Pandemie habe abermals deutlich gezeigt, wie wichtig eine breite Diversifizierung auch bei Immobilieninvestments sei, sowohl über möglichst viele Objekte als auch über verschiedene Regionen, Nutzungsarten und Größenklassen hinweg. „Eine vielversprechende Core-Büroimmobilie in einer deutschen Metropole ist für viele kleinere Stiftungen schon angesichts des Investmentvolumens im Alleingang nicht investierbar, gemeinsam mit anderen in einem Spezialfonds aber durchaus“, sagt Mentzel.
Investmentfonds stiftungsgeeignet strukturieren
Doch auch bei alternativen Investmentfonds (AIF) steckt die Herausforderung für Stiftungen oftmals im Detail. „Die Fonds müssen stiftungsgeeignet sein“, erklärt Dr. Aris Aristidou. „Sie müssen regelmäßig und zuverlässig ordentliche ergebniswirksame Erträge generieren, mit denen die Stiftungen ihren Stiftungszwecken nachkommen können. Gleichzeitig darf die Herkunft der Erträge von den Finanzbehörden nicht als gewerbliche Tätigkeit gewertet werden, sonst drohen der Verlust des Status der Gemeinnützigkeit und somit steuerliche Nachteile.“ Grundsätzlich sei jede Investmentstrategie auch für Stiftungen darstellbar, es komme nur auf das Vehikel und dessen konkrete Ausgestaltung an.
Solche Fallstricke kennt Kristina Mentzel nur zu genau. Am Beispiel Immobilien macht sie deutlich, worauf für stiftungsgeeignete Fondslösungen zu achten ist: „Die Erträge eines Fonds dürfen zum Beispiel nicht aus dem gewerblichen Immobilienhandel stammen, deshalb ist eine lange Haltedauer der Fondsobjekte Pflicht.“ Ausschließlich Vermietung und Verpachtung seien als Ertragsquellen gestattet. Selbst das Vertragsmodell mit dem Kantinenbetreiber in einer Büroimmobilie beispielsweise müsse man sich daher sehr genau anschauen.

Stiftungen stehen vor einer spannenden Zeit und brauchen professionellen Rat, Tat und stiftungsgerechte Lösungen.
Dr. Aris AristidouHead of Wealth Management Professional Clients, HypoVereinsbankDiese 4 Faktoren verändern die Stiftungslandschaft in Deutschland
Mentzel und Dr. Aristidou erwarten, dass sich auch durch die geplante Reform des Stiftungsrechts – in Kombination mit dem Niedrigzinsumfeld – die Stiftungslandschaft in Deutschland nachhaltig verändern dürfte, und zwar vor allem durch vier Faktoren:
Stiftungsregister und Vereinheitlichung Stiftungsrecht
Das geplante Stiftungsregister und eine bundesweite Vereinheitlichung des Stiftungsrechts werden zu mehr Transparenz und Professionalität im Stiftungssektor führen, ähnlich eingetragenen Vereinen.
Zusammenschluss
Stiftungen soll es künftig leichter fallen, sich mit anderen Stiftungen zusammenzuschließen. Gerade für kleinere Stiftungen kann es angesichts gesunkener Ertragspotenziale sinnvoll sein, Kräfte zu bündeln und kosteneffizienter in Bezug auf das Stiftungskapital zu werden.
Verbrauchsstiftung
Zudem soll es einfacher werden, eine Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung umzuwandeln – und damit den Kapitalstock zur Erfüllung des Stiftungszwecks einzusetzen und langfristig aufzubrauchen. Es sei zu erwarten, dass einige Stiftungen, deren Erträge dazu nicht mehr ausreichen, diesen Weg einschlagen werden, so Mentzel und Aristidou.
Reform der Haftungsregeln
Zu guter Letzt wird auch die geplante Reform der Haftungsregeln nicht ohne Folgen bleiben. Nach der geplanten neuen „Business-Judgement-Rule“ müssen die handelnden Personen in den Stiftungsorganen nicht mehr vollständig mit ihrem Privatvermögen für etwaige Fehlentscheidungen haften, sofern sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Diese Neuregelung dürfte die Risikobereitschaft und damit das Renditepotenzial bei der Kapitalanlage deutlich erhöhen – und viele Stiftungsorgane stärker professionalisieren.

Für eine rentablere Kapitalallokation gibt es mehr Investmentmöglichkeiten, als manchen Stiftungen zunächst klar ist.
Kristina MentzelHead of Sales and Customer Management, WealthcapLetztlich habe die geplante Stiftungsrechtsreform das Potenzial, die deutsche Stiftungslandschaft langfristig zu konsolidieren und zu professionalisieren, sind sich Kristina Mentzel und Dr. Aris Aristidou einig. „Dies wird sich auch auf die Kapitalallokation auswirken“, ist Aristidou überzeugt. „Mehr Mut und mehr Fachkompetenz werden zu höheren Erträgen und weniger Risiko führen.“ Deshalb seien auch professionell strukturierte Investmentvehikel zunehmend bei Stiftungen gefragt und empfehlenswert. „Stiftungen“, findet der HVB-Banker, „stehen vor einer spannenden Zeit und brauchen professionellen Rat, Tat und stiftungsgerechte Lösungen.“